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Ist der Welterbetraum geplatzt?

Der Naumburger Dom und die Herrschaftlandschaft an Saale und Unstrut vor dem Aus?

Der Naumburger Dom

Der Naumburger Dom

Seit 17 Jahren bemühen sich die Stadt Naumburg und die Region an Saale und Unstrut um den Titel des Weltkulturerbes. 2015 sollte sollte es soweit sein. Doch das offizielle Gutachten des Internationalen Rates für Denkmalschutz (ICOMOS) lässt wenig Gutes an der Bewerbung. Die Landschaft an Saale und Unstrut ist einzigartig – in Mitteldeutschland. Das Fazit des ICOMOS lautet: Nicht einzigartig, nicht authentisch, nicht welterbewürdig.

Probleme hat man mit dem Begriff „Herrschaftslandschaft“, der das Motto der Bewerbung ist. ICOMOS hält diesen für inhaltsleer, da er wissenschaftlich bisher nicht verwendet wurde. Wahrscheinlich gibt es keine europäische Region, die sich nicht als Herrschaftslandschaft bezeichnen könnte. Weiter heißt es, die mittelalterlichen Spuren seien entweder kaum sichtbar, lägen unter der Erde oder sind wie im Falle von Schloss Goseck inzwischen vollständig umgebaut. Die Gebäude bildeten keine geschlossene Einheit. Die wenigen erhaltenen Spuren hält man für nicht ausreichend wissenschaftlich belegt. Was es rund um Naumburg gibt, gäbe es in Frankreich, Italien oder England ebenso (und auch in Sachsen).

Das klingt nach einer großen Blamage für Sachsen-Anhalt und Naumburg. Doch man will nicht aufgeben. Der Welterbeverein und das Land verweisen auf sachliche Fehler im Gutachten. So wird behauptet, dass Schloss Neuenburg bei Freyburg in den vergangenen 25 Jahren fast neugebaut worden sei, mittelalterliche Spuren dadurch nicht mehr erkennbar seien. Das ist stimmt so nicht. Schloss Neuenburg war 1990 stark vom Verfall bedroht. Viel wurde investiert und gerade damit hat man das mittelalaterliche Ensemble der Burg erhalten.

War es ein Fehler, den Begriff der Kulturlandschaft in den Titel aufzunehmen? Der Naumburger Dom kommt in der Stellungnahme der ICOMOS recht gut weg. Er symbolisiert in „außergewöhnlicher Weise die Macht der Kirche und die Ambitionen lokaler Machthaber sowie die Ausbreitung kirchlicher Baustile von West- nach Osteuropa“ heißt es da.

Und der Begriff der Herrschaftslandschaft? Mit dem Begriff hat der Welterbeverein nach einem plastischen Oberbegriff gesucht. Eine neue wissenschaftliche Kategorie sollte damit nicht begründet werden.

Für die Bewertung der Naumburger Welterbebewerbung war die Spanierin Ana Luengo zuständig, Präsidentin des Weltverbandes der Landschaftsarchitekten. Das stößt den Naumburgern sauer auf. Eine Expertin für die freie Landschaften, bewertet die gebaute Landschaft. Ist den Bewerbern hier der Begriff der Kulturlandschaft auf die Füße gefallen? Die Landschaft um Naumburg ist sicher kaum noch mittelalterlich. Großflächige Landwirtschaft, Straßen- und Schienenwege, regulierte Flüsse, Wohn- und Gewerbegebiete – all das hat es im Mittelalter nicht gegeben. Vielleicht wäre es sinnvoll, den Begriff der Kulturlandschaft entweder ganz zu streichen, oder ihn auf die gebaute Landschaft zu begrenzen, und das ganz deutlich.

Wie geht es weiter? Naumburg und sein Umland wollen sich der endgültigen Wahl im Juli stellen. Eine Erwiderung auf das Gutachten wird derzeit vom Welterbeverein und dessen wissenschaftlichem Beirat erarbeitet. Die Empfehlung von Icomos ist für die Unesco nicht bindend, doch die Chancen für Naumburg und die Saale-Unstrut-Region sind sicher nicht gestiegen.

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Autor: Mirko Seidel am 7. Jun 2015 08:11, Rubrik: Artikel, Artikel & Berichte, Kommentare per Feed RSS 2.0, Kommentar schreiben,


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