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Burgen, Schlösser und Kirchen entlang der Mulde

Exkursion zwischen Wurzen und Eilenburg

Barockschloss in Nischwitz bei Wurzen

Barockschloss in Nischwitz bei Wurzen

Die Volkshochschule Leipzig bietet zahlreiche kulturhistorische Exkursionen in das Umland von Leipzig an. Eine Tour führte am 20.06.2015 entlang der Mulde von Wurzen nach Eilenburg. Organisiert und begleitet wurde die Tour von mir.

Geplant war eine Radtour, doch das kühle und regnerische Wetter machte uns einen Strich durch die Rechnung. So entschieden sich die Teilnehmer für das Auto als Fortbewegungsmittel.

Das Tal der Mulde zwischen Wurzen und Eilenburg

Das Tal der Mulde zwischen Wurzen und Eilenburg

Startpunkt der Exkursion war die Stadt Wurzen. Auf dem Besichtigungsprogramm standen die Wenceslaikirche, das Bischofsschloss und der Dom St. Marien. Weiter ging es zum Schloss Nischwitz. Einen kurzen Zwischenstopp haben wir in Canitz und an der Kirche in Wasewitz gemacht, bevor das Schloss und das Rittergut in Thallwitz auf dem Plan standen. Zum Abschluss der Tour besuchten wir die Stadt Eilenburg, wo die Ilburg, die St. Marienkirche und der Markt mit der Stadtkirche und dem Rathaus auf dem Programm standen.

Die Exkursion stand unter dem Motto einer Spurensuche des Befestigungssystems an der Mulde im Mittelalter aus der Zeit der deutschen Ostexpansion. Unter den Ottonen und Saliern wurden Unterwerfungsfeldzüge jenseits der östlichen Reichsgrenzen geführt. Diese fanden in einem Gebiet statt, das im Westen etwa durch die Linie Elbe – Saale – Naab, im Osten durch Oder, Neiße und Moldau begrenzt wird. In den eroberten Gebieten richtete man Grenzmarken ein. Burgen wurden besetzt oder neu errichtet. Sie dienten der militärischen Kontrolle und der Eintreibung von Tributen. Ein Zuzug von Neusiedlern blieb aber aus. Die Christianisierung beschränkte sich auf massenhafte Zwangstaufen und die Errichtung von Missionsbistümern wie Oldenburg, Brandenburg oder Havelberg. Die Entwicklung eines Pfarrkirchensystems erfolgte erst mit der Ansiedlung deutscher Kolonisten ab der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts.

Allerdings ging immer wieder die Kontrolle über bereits eroberte Gebiete verloren. Besonders gravierende Folgen hatten der Slawenaufstand von 983 und eine Erhebung der Abodriten ab 1066. Außerdem gerieten die deutschen Herrscher im Gebiet zwischen Elbe und Oder zunehmend in Konkurrenz mit den Fürsten von Polen, die ebenfalls ein starkes Interesse an der Unterwerfung und Eroberung der wendischen Gebiete hatten.

Ein erster Ansatz zur Besiedlung des Landes östlich der Saale findet sich in dem umstrittenen Aufruf zum Kampf gegen die Wenden (1108). Allerdings blieb der Aufruf ohne erkennbare Wirkung. Weder erfolgten Kriegszüge gegen die Wenden noch eine Besiedlung ihrer Gebiete.

Seit 1124 kam es zu ersten Ansiedlungen von Flamen und Niederländern in Norddeutschland bis zur Eider. Darauf folgte die Eroberung des Landes der Wagrier (Abodriten) durch die Holsten (Holsteiner), Stormarner, Dithmarscher (1139), die Gründung Lübecks (1143) und der Aufruf von Graf Adolf II. von Schauenburg zur Besiedelung Ostholsteins im gleichen Jahr. Eine bedeutende Etappe war der militärisch nur bedingt erfolgreiche Wendenkreuzzug von 1147. Ihm folgte 1157 die Eroberung der Mark Brandenburg durch Albrecht den Bären, den ersten Markgrafen von Brandenburg. Im 12. Jahrhundert wurde auch die Mark Meißen (das spätere Kurfürstentum Sachsen) von Deutschen besiedelt.

Die Flüsse stellten auf dem Weg der Deutschen nach Osten Hindernisse dar und waren zwischen den einzelnen Etappen der Ostexpansion Grenzen zwischen den Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und der Sorbischen Grenzmark. Entlang der Flüsse entstand ein System von Befestigungsanlagen, das der Grenzsicherung, der Sicherung des Handels und der Verwaltung des Landes diente.

Das Befestigungssystem war hierarchisch gestaffelt:

  • Landesherrliche Burgen (Rochlitz, Colditz, Grimma, Wurzen, Eilenburg),
  • Burgen des niederen Adels (Trebsen, Thallwitz, Bad Düben, Schnaditz),
  • Wachtürme (Wasewitz, Gruna),
  • Wall-Graben-Anlagen, Wasserburgen und Wegsperren,

Auch die slawische Bevölkerung sicherte ihr Land durch Wall-Graben-Anlagen und Wasserburgen, die jedoch mit den festen Burgen der Deutschen nicht zu vergleichen waren.

Zwischen Wurzen und Eilenburg sind an der Mulde heute noch folgende befestigte Plätze sichtbar:

  • Wurzen (slawischer Burgward, deutsche Bischofsburg),
  • Nischwitz,
  • Canitz (unklar),
  • Püchau,
  • Wasewitz,
  • Thallwitz,
  • Eilenburg (sorbischer Burgward, deutsche Burg),

Wurzen, Ev. WenceslaikircheDie Autos ließen wir am Bahnhof in Wurzen stehen und gingen zu Fuß durch die Altstadt. Die St. Wenceslaikirche wurde 1275 zum ersten Mal erwähnt. Sie stand außerhalb der Stadtmauer in der Neustadt und war die Pfarrkirche des Neumarktes. Zwischen 1660 und 1673 wurde sie nach Verfall erneuert und erhielt zwischen 1873 und 1878 eine neue Ausstattung durch Hugo von Altendorff. Die dreischiffige, spätgotische Hallenkirche hat einen eingezogenen Chor mit 3/8-Schluss. Der Putzbau hat Maßwerkfenster, spitzbogige Zwillingsfenster und einen hohen Westturm auf quadratischem Grundriss mit barocker Haube und Laterne. Die heutige, spätgotische Fassade wurde im Jahr 1513 durch den Wurzener Bischof Johann VI. von Salhausen in Auftrag gegeben.

Dom St. Marien in Wurzen

Dom St. Marien in Wurzen

Weiter ging es zum Dom St. Marien in Wurzen. 1144 wurde der Bau begonnen, die Hauptbauphase lag zwischen 1260 und 1280. Fertiggestellt wurde der Dom bis 1515. Die Pfeilerbasilika hat zwei Türme an der Ostseite der Seitenschiffe. Der eingezogener Wwestliche und der östliche Langchor haben einen 5/8-Schluss. Das Schiff überspannt ein Kreuzrippengewölbe, den Westchor ein Zellengewölbe, der Ostchor ein Sterngewölbe. Das Innere des Doms wurde 1931 beräumt und mit Bronzearbeiten von Georg Wrba neu gestaltet. Der Dom St. Marien in Wurzen ist der kleinste Dom Sachsens.

Schloss Wurzen

Schloss Wurzen

Gleich hinter dem Dom steht das Bischofsschloss Wurzen. Anstelle einer slawischen Burg entstand zunächst eine deutsche Burg. Bischoff Johann VI. von Salhausen ließ zwischen 1491 und 1497 die Burg zu einem Schloss umbauen, nachdem er seine Residenz nach Wurzen verlegt hatte. Hervorzuheben sind die reich gegliederten Blendgiebel mit Vorhangbogenmotiv und die Vorhangbogenfenster.

Der einsetzende Nieselregen ließ uns schnell zurückkehren zu unseren Autos.

Schloss und Park Nischwitz

Schloss und Park Nischwitz

Das Rittergut Nischwitz brannte 1637 ab. Gustav Carl Freiherr von Racknitz ließ 1712 bis 1720 ein neues Herrenhaus errichten. Im Jahr 1743 kauft Reichsgraf Heinrich von Brühl das Anwesen. Er lässt die Wirtschaftsgebäude des Rittergutes abreißen. An das Herrenhaus lässt er zwei kurze Seitenflügel anbauen und erweiter das Schloss um ein Kavaliershaus und eine Orangerie, die er mit dem Schloss durch Bogengänge verbinden lässt. Architekt des Ensembles war Johann Christian Knöffel. Dem Schloss schließt sich eine weitläufige Parkanlage an, einst nach französischem Stil (Barockgarten) angelegt, später in einen englischen Landschaftspark umgewandelt. Im Park befinden sich zwei Teehäuser, das Mausoleum der Familie von Ritzenberg und die Grabanlage der Familie von Zimmermann. Im Jahr 1758 lässt der preußische König Friedrich II. Schloss Nischwitz plündern.

Ev. Pfarrkirche in Wasewitz

Ev. Pfarrkirche in Wasewitz

Im Hochmittelalter ist eine Familie von Canitz erwähnt, die auch als Besitzer des Rittergutes Thallwitz genannt ist. Ein Herrensitz ist in Canitz nicht mehr vorhanden. Dafür ein Freizeit- und Erholungspark. Der Förderverein Landschaftspflegeverband „Mittleres Muldegebiet“ e.V. hat auf einer Fläche von ca. 4 ha einen Themenpark geschaffen, in dem die Geschichte des Gartenbaus von den Germanen bis zum Biogarten und Naturgärten gezeigt werden. Ein steinzeitliches Langhaus wurde ebenso nachgebaut, wie Häuser der Slawen und der Germanen.

Nahe des kleinen Ortes Wasewitz stand um 930 ein Wachturm zur Sicherung der Muldefurt, vermutlich in Auftrag gegeben durch König Heinrich I. 968 verliert der Turm seine Bedeutung und wird an den an den Bischof verschenkt, der ihn zur Kirche umbaut. Der Turm wird erst 1851 an die Kirche angefügt.

In Thallwitz kehrten wir zunächst in den „Reußischen Hof“ zum Mittagessen ein. Das war auch gut so, denn ein kräftiger Regenschauer ging in der Zeit nieder.

Schloss in Thallwitz

Schloss in Thallwitz

Das Schloss Thallwitz entstand anstelle einer mittelalterlichen Wasserburg. Um 1580 ließ die Familie von Canitz ein Renaissanceschloss errichten. Der Architekt Arwed Roßbach ließ für den Fürsten Heinrich XIV. von Reuß-Ebersdorf (1880) westlich des Schlosses einen Anbau mit Treppenturm. Die Barocke Gartenanlage wurde nach 1764 zu einem Landschaftspark umgestaltet. Erhalten geblieben ist eine Treppenanlage mit Kaskade, die nach 1740 nach Plänen von Friedrich August Krubsacius errichtet wurde.

Herrenhaus des Rittergutes Thallwitz

Herrenhaus des Rittergutes Thallwitz

Unweit des Schlosses Thallwitz steht das Rittergut, erbaut in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und 1892 durch Arved Roßbach umgebaut. Die symmetrische Anlage gruppiert sich um einen ovalen Hof. Von der Bebauung sind nur noch das Herrenhaus, das Gärtnerhaus, die Scheune und das Verwalterwohnhaus erhalten. Trotzdem ist die ursprüngliche barocke Gesamtgestaltung des Rittergutes Thallwitz auch heute noch sehr gut ablesbar.

Eilenburg, Burgtor und Marienkirche

Eilenburg, Burgtor und Marienkirche

Schließlich war Eilenburg erreicht. Die Slawen errichteten auf dem heutigen Burgberg in Eilenburg eine Wallanlage. 961 wird die civitas Ilburg erstmals genannt. Eine deutsche Burg entsteht wohl schon Anfang des 10. Jahrhunderts durch König Heinrich I. Die mittelalterliche Stadt entstand am Fuß der Burg, auf einer Insel in der Mulde im 11. oder 12. Jahrhundert). Die Gründung erfolgte planmäßig auf elliptischem Grundriss mit gitterförmigem Straßennetz. Ab 1150 wird Eilenburg befestigt. Die Ilburg wurde während der Merseburger Bischofsfehde 1386 zerstört, danach wieder aufgebaut und bis zum 15. Jahrhundert zu einem stattlichen Wohnschloss umgebaut. Im Dreißigjährigen Krieg wird die Ilburg schwer beschädigt und danach nicht wieder aufgebaut.

Die Exkursionsteilnehmer vor dem Altar der Marienkirche

Die Exkursionsteilnehmer vor dem Altar der Marienkirche

Die wirtschaftlichen Grundlagen Eilenburgs waren der Ackerbau, Fischfang, Weinbau und das Brauwesen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts setzte die allmähliche Industrialisierung ein, Schwerpunkte waren Textilfabriken, Maschinenbau und die Celluloidverarbeitung.

Die Ev. Marienkirche in Eilenburg wurde um 930 wahrscheinlich als Holzkirche erbaut. Um 1140 wird die Kirche in Stein errichtet. 1516 bis 1522 erfolgte der Umbau zu einer Hallenkirche. In dieser Zeit entstand der eingezogener Chor mit 5/8-Schluss. Das Mittelschiff hat ein Netzgewölbe und gekehlte Pfeilern, die Seitenschiffe und der Chor ein Sterngewölbe. Besonders wertvoll ist der Altar aus dem 17. Jahrhundert.

Die Ilburg in Eilenburg

Die Ilburg in Eilenburg

Die Ilburg in Eilenburg entstand auf einem sorbischer Burgward zwischen dem 12. Jahrhundert und dem 14. Jahrhundert. Nach ihrer Zerstörung 1386 entsteht ein prächtiges Wohnschloss, das im Dreißigjährigen Krieg zerstört und nicht wieder aufgebaut wird. Die Nordseite der Burg wurde einst vom sogenannten Sorbenturm gesichert, einem Turm aus gelben Klinkern auf quadratischem Grundriss. Von der Ilburg bietet sich ein grandioser Blick auf die Stadt und das Muldetal bis nach Wurzen.

Eilenburg, Stadtkirche St. NikolaiLetztes Station auf der Exkursion entlang der Mulde zwischen Wurzen und Eilenburg war der Marktplatz von Eilenburg mit der Stadtkirche und dem Rathaus. Die Stadtkirche St. Andreas und St. Nikolai wurde ab 1444 anstelle eines Vorgängerbaus errichtet. Ab 1496 wurde der Westturm gebaut, der 1672 seinen barocken Abschluss erhielt. Nach einem Brand wird die Kirche 1683 bis 1684 barock ausgestattet. 1945 wurde die Stadtkirche zerstört und die Ausstattung vernichtet. Der Chor wurde in den 1960er Jahren wieder aufgebaut, Schiff und Turm seit den 1990er Jahren.

Blick von der Ilburg über Eilenburg

Blick von der Ilburg über Eilenburg

Das Tal der Mulde gehört nicht nur zu den landschaftliche reizvollsten Gebieten Sachsens. Entlang des Flusses sind zahlreiche Zeugnisse der slawischen und deutschen Siedlungsgeschichte – Burgen, Schlösser und Herrenhäuser, Kirchen und Dome, Wall-Graben-Anlagen und Wasserburgen – aus über 1.000 Jahren erhalten geblieben, die immer eine Reise wert sind.

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    Autor: Mirko Seidel am 21. Jun 2015 10:53, Rubrik: Artikel, Artikel & Berichte, Muldetal, Reiseberichte, Kommentare per Feed RSS 2.0, Kommentar schreiben,


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