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Pro und Kontra Offene Kirchen

"Offene Kirche" in Garitz bei Zerbst, Sachsen-Anhalt

Kirchen sind für viele Menschen Orte des Gebets und der Stille. Sie sind aber auch Objekte der Architektur- und Zeitgeschichte und der Kunst. Der Wunsch, eine Kirche besichtigen zu wollen scheitert oft an der verschlossenen Kirchentür. Müssen Kirchen geschlossen sein, um sie vor Dieben zu schützen? Oder müssen sie offen sein, um sie den Menschen zu zeigen?

Der Streit – Kirche auf oder Kirche zu – bewegt schon seit Jahren die Gemüter von Kirchgemeinden, Pfarrern, Kirchbauvereinen und Amtsträgern. Die Argumente sind auf beiden Seiten vielfältig.

Bei den Gegnern Offener Kirchen reichen sie vom Schutz vor Vandalismus und Diebstahl bis zu Sauberkeit. Die Argumente der Befürworter reichen vom Zeigen der Ausstattung für Kunstinteressierte bis zum ureigenen Sinn einer Kirche, dem Gebet.

Eine scheinbar einfache Lösung wäre, man setzt in jede Offene Kirche eine Aufsicht. Das wird in großen Stadtkirchen teilweise auch gemacht. Flächendeckend ist das kaum umsetzbar, weil das Geld für die Finanzierung solcher Stellen fehlt. Maßnahmen des 2. Arbeitsmarktes können hier zwar helfen, sind aber in der Fläche auch kaum umsetzbar und zeitlich begrenzt.

Eine Zwischenlösung sind Hinweise an der Kirchentür, bei wem man sich melden kann, um den Schlüssel zu bekommen. Das ist zwar gut gemeint, stellt jedoch den Besucher immer vor zwei Fragen: Wo finde ich denjenigen und störe ich ihn womöglich?

Muss eine Kirche immer offen sein? Sicher nicht. Nachts werden nur wenige Menschen den Weg in eine Kirche suchen. Am Tag muss man die Frage sicher danach beantworten, wie viele potenzielle Besucher zu erwarten sind. Kirchen in Städten oder viel besuchten Tourismusregionen werden eher besucht, als eine abgelegene Dorfkirche. Diese muss aber nicht weniger interessant sein, als ihre großen Schwestern in der Stadt.

Mitunter hört man auch das Argument, Kirchen, die mit staatlichen Fördergeldern saniert wurden, per Bescheid zur Öffnung zu zwingen, um den Steuerzahlern, die das Geld ja schließlich aufgebracht haben die Möglichkeit zu geben zu sehen, was mit ihrem Geld geschehen ist. Das Argument mag nicht ganz falsch sein, aber dann müsste auch das Bundeskanzleramt in Berlin geöffnet werden für jedermann.

Eine alles entscheidende Antwort auf die Frage – Kirche auf oder Kirche zu? Gibt es nicht. Die Entscheidung, ob und wann eine Kirche geöffnet wird, hängt von vielen Faktoren ab.

Da ist zunächst das bewegliche und unbewegliche Inventar einer Kirche. Ist eine Kirche schlicht gestaltet, ist es sicher kein Problem, sie auch ohne Aufsicht zu öffnen. Kleinere wertvolle Gegenstände, wie Kerzenleuchter, können sicher verwahrt und durch materiell weniger wertvolle Objekte ersetzt werden. Weist eine Kirche eine reiche Ausstattung beweglicher Kunstobjekte auf, fällt die Entscheidung, die Kirche unbeaufsichtigt zu öffnen aus verständlichen Gründen schon schwerer. Leider schrecken Kunstdiebe auch vor Kirchen nicht zurück. In diesen Fällen sind feste Öffnungszeiten mit Aufsicht oder technische Vorrichtungen zum Schutz vor Diebstahl sicher die bessere Lösung.

Wünschenswert wäre, dass Kirchen in Tourismusregionen und an überregional bedeutenden Radwegen zumindest an den Wochenenden und an Feiertagen geöffnet sind. Das zieht Besucher an und verlängert die Verweildauer in einer Region.

Für Kirchen in abgelegeneren Regionen bietet sich an, sie an den Wochenende und Feiertagen zu öffnen, weiterhin am Tag des Offenen Denkmals und zum Erntedankfest. Hier kann man kirchliche Belange verbinden mit weltlichen Belangen. Denkbar wäre auch ein regionaler „Kirchentag“, an dem mehrere Dorfkirchen einer Region geöffnet sind und Besucher einladen. Gut beworben, zieht ein solcher Tag sicher einige Besucher an, von denen viele auch bereit sind, Geld zu spenden.

Die Entscheidung: Machen wir die Kirche auf oder lassen wir sie zu? liegt zuletzt immer bei der Kirchgemeinde. Sie hat oft mit viel Mühe ihr Gotteshaus instand gesetzt und möchte es bewahren und schützen. Das ist verständlich. Kirchen sind aber auch Gemeingut, sie dienen einem Zweck, sie wurden für Menschen gebaut. Und deshalb sollten sie für die Menschen auch offen stehen.

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Autor: Mirko Seidel am 16. Jan 2014 10:15, Rubrik: Artikel, Artikel & Berichte, Kommentare per Feed RSS 2.0, Kommentar schreiben,


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