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Leipziger Persönlichkeiten – Hermann Gordian Landwehr

Wahren, Kath. Pfarr- und Klosterkirche St. Albert

Wahren, Kath. Pfarr- und Klosterkirche St. Albert

Pater Gordian Landwehr, Geburtsname Hermann Landwehr, wurde am 30. Dezember 1912 in Lohne (Oldenburg) geboren. Das vierte von insgesamt zwölf Kindern eines Gemischtwarenhändlers stammte aus einem dem Katholizismus eng verbundenen Elternhaus. Im Alter von 13 Jahren wechselte Landwehr von der Volksschule an die von Dominikanern geleitete Ordens- und Missionsschule St. Josef in Vechta bei Oldenburg.

1932 trat Gordian Landwehr in Warburg (Westfalen) dem Dominikanerorden bei, studierte Theologie und legte im Mai 1936 die Ewigen Gelübde ab. 1938 wurde Landwehr zum Priester geweiht. Ab 1941 musste Gordian Landwehr als Sanitätssoldat in der Wehrmacht dienen und war bis zum Kriegsende an der Ostfront eingesetzt. Gordian Landwehr erkannt früh, dass sich Soldaten der Wehrmacht vieler Kriegsverbrechen in der Sowjetunion schuldig machten, in seiner Autobiografie berichtete er von Massenmorden an Juden und davon, dass seine Sanitätseinheit jüdische Bedienstete nicht an die SS ausgeliefert habe.
Trotzdem haderte Landwehr mit sich, dass er nicht genug Mut aufgebracht habe, um mehr Menschen vor dem Zugriff der Nazis zu schützen. Gordian Landwehr lernte die russische Sprache und feierte in Minsk und Umgebung öfters Gottesdienste für die einheimischen Katholiken – von der Wehrmacht eigentlich streng verboten.

Im Frühjahr 1945 gelangte Landwehr von Gdingen mit fliehenden Truppen und deutschen Zivilisten nach Dänemark, geriet gegen Kriegsende in Gefangenschaft und wurde im Herbst 1945 in ein britisches Lager bei Lütjenburg in Schleswig-Holstein gebracht. Im Mai 1946 kehrte Gordian Landwehr zu seinem Konvent nach Düsseldorf zurück.

1951 wurde Gordian Landwehr auf eigenen Wunsch von Düsseldorf nach Leipzig versetzt, um in Ostdeutschland als Volksmissionar tätig werden zu können. Am Dominikanerkloster St. Albert in Wahren war Gordian Landwehr auch als Gemeindepriester tätig. Im Oktober 1951 konnte er den Grundstein der Kirche St. Albert in Wahren legen, die 13 Monate später vom Meißener Bischof Heinrich Wienken geweiht wurde.

Im Leipziger Oratorium entstand 1951 die Idee, spezielle Jugendpredigten zu halten und Landwehr wurde beauftragt, diese zu übernehmen. So fand Gordian Landwehr zu seiner Berufung als unermüdlicher, wortgewaltiger und charismatischer Prediger. Aufgrund des großen Zuspruchs wurden Jugendpredigten in der Leipziger Universitätskirche zu einer regelmäßigen Einrichtung. Sein Orden und die ostdeutschen Bischöfe beauftragten ihn, in der gesamten DDR als Prediger zu wirken, zunächst in 30, später sogar in 50 weiteren Städten erreichte Landwehr schon Mitte der 50er Jahre fast 20.000 Jugendliche im Monat.

Die Beliebtheit Landwehrs bei der katholischen Jugend in der DDR missfiel den Machthabern. 1957 wurde Gordian Landwehr in der Sächsischen Zeitung als „Natoprediger im Jesuitengewand“ verunglimpft. Die Ordensoberen in der Bundesrepublik rechneten mit seiner Verhaftung und forderten ihn auf, in den Westen zurückzukehren. Gordian Landwehr blieb mit Zustimmung des Berliner Erzbischofs Julius Döpfner in der DDR, um den Wünschen des Regimes nicht zu entsprechen. Es war wohl Landwehrs Popularität, die seine Verhaftung verhinderte, obwohl Gordian Landwehrt die kommunistische Ideologie angriff, wie kein anderer katholischer Prediger. In seiner Autobiographie schrieb Gordian Landwehr, dass ihm ein SED-Funktionär Ende der 1970er Jahre erklärte: „Pater, Sie haben hier Narrenfreiheit; Sie können alles sagen.“

Gordian Landwehr verurteilte ab 1964 die geplante Sprengung der Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig. Er organisierte den letztlich erfolglosen Widerstand auf katholischer Seite. Im Mai 1968 protestierte Gordian Landwehr öffentlich mit nur wenigen Leipziger Mitbürgern gegen die unmittelbar bevorstehende Sprengung der Kirche. Einige Studenten und Bürger wurden verhaftet, Landwehr entging erneut einer Verhaftung.

Gordian Landwehr legte großen Wert auf den Aufbau von grenzüberschreitenden Beziehungen innerhalb des Dominikanerordens. In den 1960er Jahren nahm er Kontakt zur polnischen Provinz des Ordens auf. Verfolgte tschechische und slowakische Dominikaner, die in ihrer Heimat vereinzelt lebten und zivilen Berufen nachgehen mussten, verbrachten gemeinsame Tage bei den Leipziger Brüdern. Der Konvent in Wahren wurde auf Initiative Gordians zur Begegnungsstätte von Dominikanern aus vielen Ländern.

Aus gesundheitlichen Gründen gab Gordian Landwehr sein Pfarramt in Wahren 1987 auf. In den folgenden Jahren war er noch in St. Albert und anderen katholischen Kirchen Leipzigs als Prediger tätig. Innerhalb der katholischen Kirche gehörte Gordian Landwehr zu den geistigen Wegbereitern der politischen Wende im Jahr 1989.

Gordian Landwehr starb am 11. Juni 1998 in Leipzig. Er wurde in der in der Dominikanerkirche St. Albert in Wahren bestattet. In unmittelbarer Nähe des Klosters wurde die damalige Lützschenaer Straße in Pater-Gordian-Straße umbenannt.

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Autor: Mirko Seidel am 4. Aug 2022 15:40, Rubrik: Persönlichkeiten, Stadt Leipzig, Kommentare per Feed RSS 2.0, Kommentar schreiben,


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