Geschichte & Geschichten

Architektur der Jahrhunderte in Leipzig – Historismus

Justizpalast Leipzig

Justizpalast Leipzig

Mit Gründung des Deutschen Reiches und der Industrialisierung setzt sich in Deutschland ein neuer Baustil durch, der Historismus. Rückbesinnung auf die Baukunst des Mittelalters, Renaissance, Barock, Rokoko wurden belebt und in neuer Formenvielfalt an die Fassaden gebracht. Neue Technologien und Baustoffe setzten sich durch und neue Transportmöglichkeiten verhalfen zu ihrer Verbreitung.

Die schnell anwachsende Bevölkerung brauchte Wohnraum, die Industrie brauchte Werkhallen, die Gesellschaft brauchte neue Gebäude – Kirchen, Schulen und Verwaltungsbauten. Das Zeitalter des Historismus prägt die Stadt Leipzig. Mit Erfindung der Mustermesse kam ein ganz neuer Bautypus auf – das Mustermessehaus. Ausgehend von der Schinckelschen Bauakademie in Berlin entstanden Fabrikbauten in bis dahin nicht gekannter Größe. Für Arbeiter und die Mittelschicht entstanden große Wohngebiete, die Gründerzeitviertel, die in Leipzig zu den größten und schönsten in Deutschland gehören. Der Formenmix führte um 1890 schließlich zum Eklektizismus, bei dem alles an die Fassade gebracht wurde, was zur Verfügung stand.

Ab ca. 1890 setzt sich auch der Jugendstil in Deutschland durch. Oft wurden Historismus und Jugendstil vermischt. In Leipzig hatte es der Jugendstil schwer. Die Leipziger Architekten entwickelten eine eigene Formensprache, den gemäßigten Historismus. Betonung der Vertikalen, teils monumentale Fassadengestaltungen mit Säulen und große Fensterflächen prägen die Großbauten in Leipzig ab etwa 1900.

Steibs Hof in Leipzig

Steibs Hof in Leipzig

Um 1900 entstanden in der Innenstadt von Leipzig einige historistische Großbauten – am Augustusplatz das Neue Theater, das Bildermuseum, die Universität und die Hauptpost, in der südlichen Innenstadt das Reichsgericht (Justizpalast) und das Gewandhaus, am nördlichen Innenstadtring die Neue Handelsbörse (alle Gebäude im 2. Weltkrieg zerstört), weiterhin zahlreicher Messepaläste in der Innenstadt und Bank- und Versicherungsbauten am Innenstadtring.

Das wohlhabende Bürgertum baute sich mondäne Villen, für das Bürgertum und die Mittelschicht entstanden prächtige Wohnhäuser, die Häuser für die Arbeiter waren schlichter gestaltet.

Die Fülle historistischer Bauten in Leipzig lässt hier nur die Vorstellung einer kleinen Auswahl zu.

Altes Grassimuseum leipzig (Stadtbibliothek)

Altes Grassimuseum leipzig (Stadtbibliothek)

Das Alte Grassimuseum am Wilhelm-Leuschner-Platz (heute Stadtbibliothek) wurde 1895 durch Hugo Licht erbaut. Die Fassade wird geprägt durch eine Kolossalordnung, der mächtige Dachaufbau ging im 2. Weltkrieg verloren. Neben dem Alten Grassimuseum steht das Polizeigebäude von Theodor Kösser mit einer monumentalen Eckgestaltung.

1907 entstand in der Burgstraße das Haus der Kirche, das von Peter Dybwad in Formen der deutschen Renaissance errichtet wurde. Am Augustusplatz stehen mit dem ehem. Kaufhaus Bamberger& Hertz (Königsbau) und dem Gebäude der Commerzbank zwei Häuser, die dem gemäßigten Historismus zuzurechnen sind.

Das Gebäude des Reichsgerichtes, heute Sitz des Bundesverwaltungsgerichtes, ist sicher der beeindruckendste Bau aus der Zeit des Historismus in Leipzig. Ludwig Hoffmann und Peter Dybwad schufen einen monumentalen Kuppelbau mit Bezügen zur italienischen Spätrenaissance. Hinter dem Reichsgericht stehen die Gebäude der Hochschule für Graphik und Buchkunst (1887 bis 1890), die Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn-Bartholdy, erbaut 1885 bis 1887 durch Hugo Licht und die Universitätsbibliothek Albertina, erbaut 1894 von Arwed Roßbach und das vom selben Architekten stammende Wohnhaus Beethovenstraße 8.

Am Goerdelerring steht ein weiteres Gebäude der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy. 1908 als Bankgebäude errichtet, zeigt an seiner Fassade eine kaum zu steigernde Plastizität.

Am Tröndlinring steht mit dem Alten Landratsamt ebenfalls ein Bau des gemäßigten Historismus mit stark plastischer Fassade. Am Thomaskirchhof entstand 1903 bis 1904 das Kaufhaus Ebert, das zu den markantesten Geschäftsbauten in Leipzig um 1900 zählt.

Das Klingerhaus in der Petersstraße ließ der Vater des Malers und Bildhauers Max Klinger 1887 bis 1888 von Arwed Roßbach bauen. Das Gebäude ist insofern eine Besonderheit, da hier Elemente der deutschen und niederländischen Renaissance an die Fassade gebracht wurden.

Otto Brückwald griff beim dem 1888 bis 1890 errichteten Gebäude der Volkshochschule in der Löhrstraße an Gestaltungsprinzipien Andrea Palladios an. Gleich neben der Volkshochschule steht das Martha-Haus mit seinen gotisierenden Formen des Architekten Paul Lange.

Am Martin Luther-Ring entstand 1914 bis 1915 das Lipanum in dem Formen des gemäßigten Historismus und damit ein sehr später Bau dieses besonderen Leipziger Baustils.

Der Mendebrunnen auf dem Augustusplatz orientiert sich am Vierströmebrunnen in Rom und ist damit ein Beispiel für den Neobarock.

Mendebrunnen auf dem Augustusplatz Leipzig

Mendebrunnen auf dem Augustusplatz Leipzig

Ein eher bescheideneres Gebäude ist die ehemalige Superintendentur am Thomaskirchof, die 1902 in Formen der deutschen Renaissance erbaut wurde.

Die Mädlerpassage, 1912 bis 1914 von Theodor Kösser erbaut, zeigt den gemäßigten Historismus nicht nur an den Straßenfassaden, sondern auch an den Fassaden der Passage. Das Messehaus Reichshof, 1896 bis 1898 erbaut, wartet mit neobarockem Fassadendekor auf. Auch das Städtische Kaufhaus, das erste Mustermessehaus der Welt, zeigt eine neobarocke Fassade. Der Zentralmessepalast in der Grimmaischen Straße und das Messehaus Stentzlers Hof in der Petersstraße verweisen hingegen auf die deutsche Renaissance.

Das Neue Rathaus in Leipzig

Das Neue Rathaus in Leipzig

Eindrucksvollster städtischer Bau dieser Zeit ist das Neue Rathaus. Bis 1905 entstand auf einem Teil der alten Pleißenburg eines der größten Rathäuser Europas. Am Neuen Rathaus zeigt sich das Wechselspiel zwischen Historismus und Jugendstil – in seinem Gesamteindruck an die deutsche Renaissance erinnernd, findet man viele Details am Gebäude, die auf den Jugendstil verweisen.

Ein weiteres, prächtiges Gebäude im Stil der Neorenaissance ist das Predigerhaus am Nikolaikirchhof. An die Spätgotik erinnert das Rote Kolleg in der Ritterstraße, 1891 erbaut. In der Schillerstraße prägen die ehem. Reichsbank mit ihrer Fassade im Stil der italienischen Renaissance und das Gebäude der Deutschen Bank mit seiner kräftigen Fassade das Straßenbild.

Von den zahlreichen Kirchenbauten, die um 1900 in Leipzig entstanden, seien hier die Peterskirche in der Südstadt, die Reformierte Kirche am Tröndlinring, die Lutherkirche im Bachviertel, die Heilig-Kreuz-Kirche in der Neustadt, die Lukaskirche in Volkmarsdorf, die Heilandskirche in Plagwitz, die Michaeliskirche am Nordplatz und die Taborkirche in Kleinzschocher genannt.

Oelßners Hof in der Nikolaistraße Leipzig

Oelßners Hof in der Nikolaistraße Leipzig

Erwähnenswert in der Innenstadt sind noch Steibs Hof in der Nikolaistraße mit seinem neobarocken Mittelteil und der benachbarte Oelßners Hof mit neobarocker Fassade.

In den Stadtteilen sind sehenswert der Felsenkeller in Lindenau, 1890 durch Schmidt & Johlige erbaut, die für und durch Oskar Mothes erbaute Villa Mothes (Julburg) in der Käthe-Kollwitz-Straße und das Rathaus in Wahren.

Sehenswerte Villen- und Wohngebiete aus der Zeit um 1900 sind das Waldstraßenviertel, Gohlis-Süd, das Bachviertel, die Stephanstraße, Plagwitz und Schleußig.

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Architekturführungen in der Innenstadt von Leipzig
Quellen:
Wolfgang Hocquél: Leipzig Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart, Passage Verlag Leipzig, 2010
Wolfgang Hocquél: Leipzig Baumeister und Bauten, Tourist Verlag Berlin Leipzig, 1990

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Autor: Mirko Seidel am 8. Nov 2019 15:49, Rubrik: Geschichte & Geschichten, Stadt Leipzig, Kommentare per Feed RSS 2.0, Kommentar schreiben,


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