Persönlichkeiten

Leipziger Persönlichkeiten – Martin Luther in Leipzig

Martin Luther, Gemälde von Lucas Cranach d.Ä.

Martin Luther, Gemälde von Lucas Cranach d.Ä.

Martin Luther wurde am 10. November 1483 in Eisleben als erster des Hüttenmeisters Hans Luder und seiner Frau Margarethe Lindemann geboren. In der Lateinschule in Mansfeld lernte er Grammatik und Logik, Rhetorik und Musik. Ab Frühjahr 1497 besuchte Martin Luther ca. ein Jahr lang die Domschule in Magdeburg.

1501 schrieb sich Martin Luther an der Universität Erfurt ein. Auf Wunsch seines Vaters studierte Luther 1505 in Erfurt Jura um in die gräfliche Verwaltung eintreten und das Familienunternehmen leiten zu können. Am 2. Juli 1505 wurde Martin Luther auf dem Rückweg von einem Elternbesuch in Mansfeld bei Stotternheim von einem schweren Unwetter überrascht. In Todesangst gelobte er der heiligen Anna, er wolle Mönch werden, wenn sie ihn rette. Am 17. Juli 1505 trat er in das Kloster der Augustiner-Eremiten in Erfurt ein.

Luther begann mit dem Studium der Theologie. Auf Empfehlung von Johann von Staupitz wurde Martin Luther von der deutschen Kongregation in München am 18. Oktober 1508 nach Wittenberg versetzt. Luther war an der Universität Wittenberg Dozent und Student. Er wurde zurückberufen, traf 1509 wieder in Erfurt ein, lehrte als Sententiar in Erfurt von 1510 bis 1511 und zog danach ganz nach Wittenberg.

Erste bildliche Darstellung Luthers als Mönch mit Doktorhut,, Detail vom Titelblatt der Predigt, die Luther während der Disputation hielt

Erste bildliche Darstellung Luthers als Mönch mit Doktorhut, Detail vom Titelblatt der Predigt, die Luther während der Disputation hielt

Am 24. Juni 1519 – ein heißer Sommertag – passierten zwei Kutschen das Grimmaische Tor in Leipzig. An sich nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich war, dass diese Kutschen von etwa 200 mit Äxten und Spießen bewaffneten Studenten begleitet wurden. Die Wittenberger waren in Leipzig eingetroffen. Angetreten zur Kirchenschlacht – so wurde die Leipziger Disputation auch genannt.

Herzog Georg der Bärtige von Sachsen, Gegner Luthers und seiner Lehre, hatte Martin Luther, Philipp Melanchthon und Dr. Andreas Bodenstein von Karlstadt zwar freies Geleit zugesichert, aber sicher ist sicher.

Martin Luther kam nicht zum ersten Mal nach Leipzig. Bereits vier Mal war in Leipzig, zum ersten Mal 1512, als unbekannter und leichtgewichtiger Mönch hatte er die 75 km zu Fuß von Wittenberg zurückgelegt, um sich das Stipendium für seine Doktorarbeit aushändigen zu lassen. Fünfzig Gulden hatte er bekommen, immerhin das Jahreseinkommen eines Handwerkermeisters.

Er hätte für die Summe 50 Ablassbriefe erwerben und so seine Seele aus dem Fegefeuer freikaufen können. Aber gerade der schwunghafte Ablasshandel war es, der Luther sauer aufstieß und ihn veranlasste, Kritik an Papst und Kirche zu üben.

Luther erschien diese Praxis reichlich unchristlich zu sein, doch dem Papst füllte sie die Kassen und der neue Petersdom in Rom verschlang viel Geld. Bischöfe und Landesherren verdienten auch nicht schlecht mit, und so schienen Fragen nach Moral und Ethik unangebracht zu sein. Nicht so bei Martin Luther.

Johannes Tezel

Johannes Tezel

Ohne Leipzig hätte es vielleicht keine Reformation gegeben, zumindest wäre sie ohne die Stadt und einige ihrer Bewohner vermutlich anders verlaufen.

Denn alles begann mit einem Mönch im Leipziger Dominikanerkloster, das Streitgespräch in Leipzig, bei dem es zum endgültigen Bruch mit Papst und Kirche kam wurde in Leipzig gedruckt und die 95 Thesen gleich mit. Und alles endet in Leipzig schließlich – wenn auch spät – in Luthers Sieg und der Einführung der Reformation.

Wie sah Leipzig zu Beginn des 16. Jahrhunderts aus? Leipzig war Handelsstadt gelegen an der Kreuzung zweier Handelsstraßen. 1497 wurde sie zur Reichsmessestadt, 1507 wurde das Messeprivileg erweitert. Leipzig war wichtigster Messe- und Handelsplatz in Mitteldeutschland.

Die Stadt aber sah alles andere als reich und prächtig aus. Die Entwicklung der Stadt begann mit mehreren Siedlungskernen, die nur langsam zusammenwuchsen. Wohl erst im 14./15. Jahrhundert war das Stadtgebiet bebaut. Fachwerk, Lehm und Holz bestimmten das Stadtbild. Feste Bauten gab es auch – die Burg, die Klöster, die Kirchen, das Rathaus, das Tuchmacherhaus und einige wenige Bürgerhäuser. Die Straßen waren unbefestigt. Müll, Unrat und Exkremente wurden über die Fenster auf die Straße entsorgt. Tiere liefen durch die Straßen. Leipzig war eine ganz normale mittelalterliche deutsche Stadt.

Am 24. Juni 1519 fuhr zuerst der Wagen mit Karlstadt durch das Grimmaische Tore. Dann Luther, Melanchthon, der Herzog Barnim von Pommern, Rektor der Universität Wittenberg, gefolgt von 200 Studenten. Ein Rad am Wagen Karlstadt brach und der Gelehrte landete im Straßendreck. Ein böses Omen. Die Leute sprachen: Luther werde obliegen, Karlstadt aber unterliegen.

Martin Luther als Junker Jörg

Martin Luther als Junker Jörg

Von Anfang an: 1489 trat ein Mönch dem Leipziger Dominikanerkloster bei – Johannes Tetzel. Im Kloster war er eher selten anzutreffen, meist war er auf Geschäftsreise. Und er war ein tüchtiger Geschäftsreisender im Namen des Herren oder besser des Papstes: Mit Werbeslogans wie „Sobald das Geld im Kasten klingt die Seele in den Himmel springt“, zog Tetzel durch deutsche Lande und 1517 auch durch das Bistum Magdeburg. Luther stieß der ungebremste Ablasshandel und das Tun Tetzels mehr als sauer auf und noch im gleichen Jahr veranlassten ihn sein Unmut und sein Glaube an Gott dazu, 95 Thesen zu verfassen und diese an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg anzuschlagen. Die Thesen waren in Latein geschrieben, kaum jemand konnte sie lesen. Kaum jemand nahm Notiz davon, der Erzbischof von Magdeburg, dem Luther die Thesen vorab zugeschickt hatte, leitete sie weiter nach Rom.

Ein unbedeutender deutscher Mönch, der sich aufregt – was soll da schon passieren. Eine eklatante Fehleinschätzung.

Die Welt war am 31. Oktober 1517 noch weit davon entfernt, aus den Angeln gehoben zu werden. Der Tag des Thesenanschlags war aber wohl gewählt. Ein Tag vor Allerheiligen, dem Fest der Heiligenverehrung in der katholischen Kirche. Jener Heiligenverehrung, die Luther anprangerte, neben dem Ablasshandel.

Was Luther fehlt, war Öffentlichkeitsarbeit. Öffentlichkeit bekam er, nicht zuletzt in Leipzig im Jahr 1519 in der Disputation.

Die Kirche des Dominikanerklosters in Leipzig vor 1830

Die Kirche des Dominikanerklosters in Leipzig vor 1830

Tetzel war feuriger Verfechter des Ablasshandels. Ob er wusste, was mit dem Geld geschah? Papst Leo X. und Erzbischof Albrecht von Magdeburg teilten sich die Einnahmen, der eine verwendete das Geld für den Bau des neuen Petersdoms, der andere für die Aufstockung seiner umfangreichen Reliquiensammlung.

Geboren wurde Tetzel in Pirna, 1482/83 findet sich sein Name im Matrikel der Leipziger Universität. Der Ablassbrief, der vor dem 14. Jahrhundert nur wirklich reuigen Sündern gewährt wurde, wurde zur Ware. Reue war nicht nötig. Es reichte, den notwendigen Betrag zu entrichten und sich somit schriftlich durch des Papstes Gnade bestätigen zu lassen, dass die Zeit im Fegefeuer zu verkürzten sei- wie lange hing von der Höhe des eingezahlten Betrages ab. Man konnte auch Ablassbrief auch für verstorbene Verwandte erlangen und deren Zeit im Fegfeuer damit verkürzen.

Noch grotesker waren die Butterbriefe, der Albrechtsche Ablass. Für wenige Groschen konnte man sich die Berechtigung erkaufen, währende der Fastenzeit Butter und Käse essen zu dürfen. Und das alles für den guten Zweck – die weltgrößte Kirche in Rom.

In Sachsen war die Verkündigung des Albrechtschen Ablasses verboten. Doch dem wortgewandten Tetzel gelang es, zahlreicher sächsische Landeskinder über die Landesgrenze nach Jüterbog zu locken, wo der Ablasshandel blühte.

Gedenktafel am Hotel de Pologne in Leipzig

Gedenktafel am Hotel de Pologne in Leipzig

Hier also begann das Vorspiel der Reformation. Und hier endete auch der reformatorische Weg Luthers, zumindest in Leipzig. 1545 weilte er zum letzten Mal in Leipzig. Das Dominikanerkloster war aufgelöst, die Gebäude der Universität übergeben. Luther predigt hier ein halbes Jahr vor seinem Tod und macht die Klosterkirche zur Universitätskirche. Mit seiner Predigt wurde sie zur Kirche der Universität, die ihn einst in Leipzig nicht haben wollte. Ein Krieg konnte die Universitätskirche nicht zerstören, wohl aber der gottlose Walter Ulbricht, dem eine mittelalterliche Klosterkirche nicht ins Konzept einer sozialistischen Großstadt passte. 1968 wurde die Kirche gesprengt.

Anstelle des Neuen Rathauses stand die Pleißenburg, einst Zwingburg des Markgrafen Dietrich von Meißen, dann kurfürstliches und herzogliches Schloss. Die Leipziger Disputation fand vom 27. Juni bis zum 16. Juli 1519 in der Hofstube, dem Saal des herzoglichen Schlosses statt.

Hier lieferten sich Dr. Johannes Mayer aus Eck, Vizekanzler der Universität Ingolstadt und Dr. Martin Luther, Professor an der Universität Wittenberg, ein Streitgespräch. Luther hatte Kritik geübt – an Papst und Kirche. Das galt es zu klären.

Das Reformationsdenkmal in Leipzig

Das Reformationsdenkmal in Leipzig

Die Initiative zum Disput ging nicht von Luther aus, sondern von dessen Gegenspieler, Dr. Johannes Eck. Was sich in der Pleißenburg abspielte, muss ein wahres Schauspiel gewesen sein. Zunächst verfingen sich Dr. Eck und Dr. Karlstadt in theologisch-theoretischen Feinheiten. Bis es Luther zu bunt wurde und er selbst in den Ring stieg, um selbst für seine Sache einzustehen. Er war nicht allein, hinter ihm stand Philipp Melanchthon, mit 1,50 m ein Zwerg, doch ein Riese im Geist. Diese Szene wurde in Leipzig in einem Denkmal verewigt und vor der Johanniskirche aufgestellt. Das Denkmal fiel einer 1943 Kriegspende zum Opfer.

Einen wahren Sieger konnte man in Leipzig nicht ausmachen, wenn gleich sich jede Seite als Sieger sah und Luthers Anhängerschaft spürbar an Zuwachs gewann. Vielleicht waren die deutsche Gründlichkeit und der Hang, alles aufzuschreiben hier ein Fehler. Denn Luthers Quartiervater Melchior Lotter druckte die 95 Thesen und verbreitetet sie deutschlandweit. Der gerade erst erfundene Buchdruck wurde zur Waffe. Und so nahm die Reformation an Fahrt auf. Es war unter Androhung der Todesstrafe im albertinischen Sachsen verboten, Luthers Schriften zu drucken und zu verbreiten. Einige Leipziger Verleger bezahlten ihren Mut mit dem Leben.

Auch die Zahl Luthers Feinde stieg sprunghaft an. Johannes Tezel allerdings gehörte nicht mehr dazu. Nur wenige Tage, nachdem die Delegationen Leipzig verlassen hatten, brach die Pest aus, 2.300 Leipziger erlagen ihr, darunter auch Johannes Tetzel.

Portal Thüringer Hof Leipzig

Portal Thüringer Hof Leipzig

Eck hatte als Austragungsort Rom, Paris oder Köln vorgeschlagen. Luther wollte sie in Leipzig, Erfurt, Halle oder Magdeburg. Herzog Georg wählte Leipzig. Und das wohl nicht ohne Hintergedanken. Die Leipziger Universität stand fest an der Seite von Papst, Kaiser und Herzog, ebenso Stadtrat und Handelsherren. Herzog Georg wählte die Universität als Austragungsort. Doch die theologische Fakultät lehnte ab. Doch Georg ließ die Professoren wissen, es gäbe auch ein gutes Essen und einen Geldgewinn, außerdem fürchtete er um den Ruf seiner Universität. Doch die lehnte weiterhin ab, wohl wissend, dass man unfähig war, zu urteilen.

So wählte Herzog Georg die Pleißenburg als Austragungsort der Disputation. Zwei Katheder wurden gegenübergestellt, Bänke und Tisch eingeräumt und mit schönen Tapeten behangen – Luthers Katheder mit St. Martin, Ecks Katheder mit dem Hl. Georg.

Ein Viertel der Bürger waren zur Disputation bestellt. Magister, Studenten und Bürger drängten sich in Hofstube, als sich am 27. Juni 1519 Eck und Karlstadt gegenüberstanden.

Philipp Melanchthon

Philipp Melanchthon

Es wird berichtet: Eck ist groß und lang, von starkem und breitem Leibe, grober und recht deutscher Stimme, dass er nicht nur zu einem Tragödienspieler, sondern auch zu einem Herold taugte. Sein ganzes Gesicht, Augen und Anblick ist auch so beschaffen, dass man eher einen Fleischer, als einen Theologen aus ihm machen sollte. Seinen Witz und Kopf belangende, so hat er ein fürtrefflich Gedächtnis, auch wenn ein gleicher Verstand dabey wäre, so wäre er ein recht Meisterstück der Natur geworden.

Dagegen sei Martin Luther von mittlerer Leibeslänge, hager von Sorgen und Studieren, so dass man fast die Knochen durch die Haut zählen könnte, annoch von männlichen und frischem Alter und klarer, erhabener Stimme. Er ist aber voller Gelehrsamkeit und fürtrefflicher Wissenschaft der Schrift.

Gegenstand der Disputation waren das göttliche Recht der päpstlichen Gewalt, der Ablass, das Fegefeuer, die Sündenvergebung und die Buße. Die Disputation wurde nach deutscher Art geführt, d.h. man musste so langsam sprechen, dass Notare alles mitschreiben konnten. Karlstadt und Eck disputierten acht Tage über den freien Willen. Gesprochen wurde ein lateinisch und so langweilig, dass sich der Saal schnell leerte. Das änderte sich, als Luther am 4. Juli in den Ring stieg.

Am 15. Juli wurde die Disputation kurz unterbrochen. Kurfürst Joachim von Brandenburg, von der Kaiserwahl in Frankfurt kommend, hatte sich in Leipzig angesagt – man brauchte die Hofstube für die Bewirtung des Gastes.

Über seine Zeit in Leipzig berichtet Luther: Die Leipziger haben uns weder gegrüßt noch besucht, sondern uns als ihre größten Feinde gehalten. An Eck haben sie stets gehangen, sind mit ihm gegangen, haben mit ihm gegessen und getrunken, haben ihm ein Ehrenkleid und camelot (Seidenstoff) geschenkt und sind mit ihm spazieren geritten. Kurz, alles, was sie nur tun konnten, haben sie uns zum Ärger getan.

Ganz so war es nicht. Luther erhielt den vom Rat üblichen Ehrenwein, Herzog Georg lud ihn zusammen mit Eck, Karlstadt und Melanchthon zur Tafel.

Die Akten der Disputation wurden gedruckt und auf der folgenden Frankfurter Messe verkauft – 1.400 Exemplare in nur wenigen Tagen.

Gasthof "Zu den drey Schwanen" 1870

Gasthof „Zu den drey Schwanen“ 1870

Luther trat offen für Jan Hus ein, das erregte den Zorn des sächsischen Herzogs. Und Luther führte aus, dass Papst und Konzile irren können. Ein unglaublicher Affront gegen die Katholische Kirche und der endgültige Bruch mit Luther.

Für die Leipziger war Eck der Sieger und der Rat gab ihm zu Ehren ein großes Festmahl. Luther berichtet an den kurfürstlichen Sekretär Georg Spalatin, das Eck und die Leipziger ihren eigenen Ruhm und nicht die Wahrheit gesucht hätten.

In einem Punkt hatte Eck tatsächlich Erfolg. Er provozierte Luther zu ketzerischen Äußerungen, so dass Eck nach der Disputation in Rom die Bannandrohungsbulle gegen Luther erwirkte. Luther wurde nach der Disputation vom noch zögernden Kritiker der Kirche zum Reformator, der auf dem Reichstag in Worms 1521 nicht widerrief.

Papst und Konzile können irren – das war Luthers Kernaussage. Eine ungeheuerliche Provokation. Der Bruch Luthers mit der katholischen Kirche war endgültig vollzogen. Herzog Georg von Sachsen, der gestrenge und Papst und Kaiser treu ergebene Landesvater verbot Luthers Lehre – in seinem Teil Sachsen. Seine ernestinische Verwandtschaft war da wesentlich lockerer drauf. Dort wurde die Reformation bereits ab 1521 eingeführt.

Georg hatte Angst, dass in Sachsen das passiert, was etwa 100 Jahre zuvor, ausgelöst durch Jan Hus, in Böhmen passiert war – Krieg, Verwüstung, Not. Er sollte Recht behalten – 100 Jahre nach seinem Tod tobt der Dreißigjährige Krieg und verwüstet große Teile Sachsens.

Thomaskirche zu Leipzig

Thomaskirche zu Leipzig

Pfingsten 1539 kam Luther nach Leipzig, um in der Thomaskirche die Reformation im albertinischen Sachsen einzuführen. Sein Weg führte ihn zu Heinrich Stromer, genannt der Auerbacher, dem Auerbachs Keller gehörte.

Im altehrwürdigen Thüringer Hof in Leipzig soll Martin Luther während seiner Aufenthalte in Leipzig öfters als Gast seines Freundes Dr. Heinrich Schmiedeberg geweilt haben. Im 2. Weltkrieg wurde der Thüringer Hof stark zerstört und modern wieder aufgebaut. Das Erdgeschoss ist jedoch vom alten Haus, hier könnte Luther gesessen, gegessen und getrunken haben.

Die Thomaskirche in Leipzig ist nicht nur mit dem Wirken Johann Sebastian Bachs als Thomaskantor verbunden, sondern auch mit Martin Luther und der Reformation. An diesem Ort begann die Reformation in der Messestadt und hier endete sie auch. Die Leipziger Disputation 1519 begann mit einem Gottesdienst in Thomaskirche, damals die Klosterkirche eines Augustinerchorherrenstiftes. Eine Gedenktafel an einer Säule im Kirchenschiff erinnert an den Beginn der Reformation, die Luther 1539 mit einer Predigt in der Thomaskirche einführte. Eines der großen farbigen Kirchenfenster zeigt Luther mit der Bibel.

Herzog Georg von Sachsen starb 1539. Sein Nachfolger wurde Heinrich der Fromme. Der nicht nur fromme, sondern wohl auch verweichlichte Charakter ließ sich breitschlagen. Zu Pfingsten 1539 kam er nach Leipzig. Der gesamte Hofstaat war angereist, Luther war eingeladen. Und Luther kam nach Leipzig. Ihm war es vorbehalten, die Reformation im albertinischen Teil Sachsens einzuführen, in Leipzig. Zwei Mal predigte er an diesem Tag in Leipzig. In der Pleißenburg und in der Thomaskirche. Die Kirche war überfüllt, die Menschen legten Leitern von außen an die Fenster, um den Reformator zu hören. Die Fenster gingen zu Bruch.

Zur Einführung der Reformation im albertinischen Sachsen waren beide sächsische Herzöge anwesend – Herzog Heinrich der Fromme, der Nachfolger Georgs des Bärtigen und Kurfürst Johann Friedrich, der Nachfolger Friedrich des Weisen.

Der Erker in Barthels Hof in Leipzig

Der Erker in Barthels Hof in Leipzig

Der Erker in Barthels Hof ist in doppelter Hinsicht bedeutend. Er stammt aus dem Jahre 1523 und ist der älteste erhaltene Erker in Leipzig. Eine um ein Kreuz gewundene, vergoldete Schlange am Konsolstein des Erkers war die Namensgeberin des Hauses „Zur goldenen Schlange“. Zierbanderolen mit Bibelzitaten warnen vor falschem Glauben. Über dem unteren Fenster des Erkers befindet sich ein Brüstungsfeld mit einem aufgeschlagenen Buch und einer lateinischen Inschrift: Dieses Haus hatte Hieronymus Walther der Ältere zuerst mit großzügigen Mitteln aufgeführt, als diese Stadt Georg, der berühmte Held, Herzog von Sachsen regierte, ein gottesfürchtiger Fürst. In dieser Zeit lenkst du 6. Hadrian im Bunde mit Karl V. das schwer erschütterte Schiff des armen Petrus.

Wirtschaftlicher Erfolg der Kaufleute im 16. Jahrhundert war von vielen Faktoren abhängig, damals vor allem von politischer und religiöser Stabilität. Durch Verwendung des christlichen Symbols der Goldenen Schlange erhoffte der Hausherr göttlichen Beistand für sich und seine Familie, wie im 4. Buch Mose zu lesen ist: Jeder der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie (die Schlange) sieht (AT, 4. Buch Mose 21,8) Da sprach der Herr zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.

Der Erker ist Zeugnis einer außergewöhnlichen katholischen Frömmigkeit im ausgehenden Mittelalter und ein Gegenbeispiel zu Luthers Reformation. 1539 soll Luther von diesem Erker aus zum Volk gepredigt haben, was allerdings nicht belegt ist und wenn es so war, dann predigte Luther nicht in den Hof, sondern zum Markt, den an dieser Seite hing der Erker bis 1870.

Spotttafel im Hof des Fregehauses in Leipzig

Spotttafel im Hof des Fregehauses in Leipzig

Das Stadtgeschichtliche Museum im Alten Rathaus verwahrt Zeugen der Reformationszeit – Luthers Trinkbecher und den Ehering, den Luther seiner Katharina einst an den Finger steckte. Ein Bildnis Luthers hängt im Leipziger Museum der bildenden Künste. Gemalt von Lucas Cranach d.Ä. zeigt es Martin Luther inkognito als Junker Jörg.

Kurios ist eine kleine Sandsteintafel im Hof des Fregehauses in der Katharinenstraße. Darauf sind abgebildet: oben Kaiser und Papst, darunter liegend ein Mönch sowie die Jahreszahl 1535. Gedeutet wird das Relief als „Verspottung Luthers“ – gewiss ist das allerdings nicht. Es sieht so aus, als hätten Papst und Kaiser über Luther gesiegt. Schaut man sich die Tafel genauer an, so sieht man, dass nur einer fröhlich gestimmt ist – Luther, während Papst und Kaiser missmutig dreinschauen.

Willkommen waren Luther und sein Gefolge in Leipzig nicht, jedenfalls nicht beim Klerus, dem Rat und der Universität. Sie wollten den Ketzer, den Aufwiegler und Störenfried nicht. Das Machtwort der Landesherren entschied – das Streitgespräch findet in der Festung Pleißenburg statt. Basta!

Man empfing Luther nicht offiziell, bot ihm kein Quartier. Luther musste sich um alles selbst kümmern und bezahlen. Er kam unter beim Buchdrucker Melchior Lotter in der Hainstraße.

Anders die Delegation von Dr. Eck. Die hochwohllöblich geborenen Herren waren willkommen in der Stadt, der Rat stand Spalier, die honorigen Bürger machten ihre Aufwartung und als Gastgeschenk gab es einen gebratenen Hirsch.

Der Buchdrucker Melchior Lotter war nicht nur Luthers Freund, er war einer der wichtigsten Verbreiter lutherischer Ideen. Allein in den Jahren 1518 bis 1520 wurden über 40 Schriften Luthers in seiner Werkstatt gedruckt. Während der Leipziger Disputation wohnten Martin Luther, Philipp Melanchthon und Andreas Bodenstein von Karlstadt bei Lotter.

Herzog Georg von Sachsen verbot das Drucken, die Verbreitung, ja sogar das Lesen der Schriften Luthers. Gegen ein Buch richtete sich dieses Verbot besonders – Luther Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche. 1522 war die Luthers Übersetzung in Wittenberg in einer Auflage von ca. 5.000 Exemplaren gedruckt und mit Holzschnitten Lucas Cranachs versehen worden. Im November 1522 befahl der Herzog, dass jeder, der eine solche Bibel besitzt, sie bis spätestens Weihnachten im Amt abzugeben habe. Ganze vier Exemplare wurden in Leipzig abgegeben.

Das Verbot war wirkungslos, umso größer war die Wirkung der deutschen Fassung. Das merkte vor allem die Leipziger Universität. Die Leipziger Studenten liefen in Scharen von Leipzig nach Wittenberg.

Gedenktafel in der Thomaskirche zu Leipzig

Gedenktafel in der Thomaskirche zu Leipzig

In Dorfkirchen vor den Toren Leipzigs wurde nach Luthers Lehre gepredigt. Die Gläubigen liefen aus der Stadt. Der Herzog ließ Aufpasser schicken, die jeden verhörten, der an den Gottesdiensten teilnahm. Wer sich dennoch öffentlich zu Luther bekannte, musste damit rechnen, der Stadt und des Landes verwiesen zu werden. Etwa 100 Bürger sind 1532/33 aus Leipzig vertrieben worden.

1521 wurde Luther gebannt und geächtet. Sein Landesherr, Kurfürst Friedrich von Sachsen, wohl nicht ohne Grund der Weise genannt, ließ in vorsorglich auf die Wartburg bringen, wo er – so die Legende – innerhalb von elf Wochen das Neue Testament ins Deutsche übersetzte. Das ist Unsinn. Eine deutsche Sprache gab es 1521 nicht. Luther übersetzte die Bibel in die Sprache, die er selbst sprach – die Meißner Kanzleisprache, also das Amtssächsisch.

Luther war von Kurfürst Friedrich dem Weisen auf die Wartburg gebracht worden – zu seinem eigenen Schutz. Er nutzt die unfreiwillige Zwangspause, um die Bibel zu übersetzten. Im Land aber rumorte es. Andreas Karlstadt setzte Luthers Lehre mit aller Macht durch – die Antwort von Herzog und Klerus ließ nicht lange auf sich warten. Tod und Gewalt bestimmten die Zeit. Das war nicht in Luthers Sinne. Er verlässt die Wartburg inkognito und kommt wieder nach Leipzig. Am 3. Dezember 1523 speist er im Haus des Schankwirts Hans Wagner, im Gasthaus „Zu den drey Schwanen“ am Brühl. Aus Martin Luther war Junker Jörg geworden, mit Rauschebart.

Ausgerechnet eine Dirne erkannte Luther, verriet ihn aber nicht. Doch Luther hat das noch lange gewurmt und seine Meinung über Leipzig geprägt: Leipzig ist wie Sodom und Gomorrha mit Hurerei und Wucher überschüttet. Oh Leipzig, du bist ein böser Wurm. Über dich wird ein großes Unglück ergehen. Nun ja, auch Luther irrte.

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Quelle: Wolfgang Hocquél, Brigitte Riese: Auf den Spuren von Martin Luther in Leipzig, Passage-Verlag Leipzig, 2017

Bildquelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/bc/Lucas_Cranach_d.%C3%84._%28Werkst.%29_-_Portr%C3%A4t_des_Martin_Luther_%28Lutherhaus_Wittenberg%29.jpg;
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Autor: Mirko Seidel am 31. Mrz 2022 17:14, Rubrik: Persönlichkeiten, Stadt Leipzig, Kommentare per Feed RSS 2.0, Kommentar schreiben,


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