Persönlichkeiten

Leipziger Persönlichkeiten – Thomaskantoren

Die auch als Gründungsurkunde der Thomasschule geltende am 20. März 1212 besiegelte Gründungsurkunde des Augustiner-Chorherrenstifts zu St. Thomas

Die auch als Gründungsurkunde der Thomasschule geltende am 20. März 1212 besiegelte Gründungsurkunde des Augustiner-Chorherrenstifts zu St. Thomas

1212 gründet Markgraf Dietrich von Meißen in Leipzig ein Augustinerchorherrenstift. Im selben jahr wird auch der Kirchenchor gegründet. Der Thomaskantor war mit dem Chor für die Kirchenmusik in den Hauptkirchen der Stadt Leipzig zuständig. Heute ist der Thomaskantor für die Durchführung der wöchentlichen Motetten und die musikalische Gestaltung der Gottesdienste in der Thomaskirche verantwortlich. Früher gehörte zu den Aufgaben des Thomaskantors auch der Unterricht an der Thomasschule. Viele Thomaskantoren erwarben Ansehen durch ihre Kompositionen.

Mit der Auflösung des Thomasklosters 1543 durch die Reformation wurde der Thomanerchor ein städtischer Chor, das Amt des Thomaskantors ein städtisches Amt. Der Thomaskantor wohnte von 1553 bis 1902 in der Thomasschule neben der Thomaskirche. Seit 2008 hat er seinen Dienstsitz in der Villa Thomana auf dem Bildungscampus Forum Thomanum im Bachviertel in Leipzig.

Thomaskirchhof mit Alter Thomasschule, in der sich die Kantorenwohnung befand (ca. 1850)

Thomaskirchhof mit Alter Thomasschule, in der sich die Kantorenwohnung befand (ca. 1850)

Der erste Rektor der Thomasschule war Thidericus, es folgte Johannes Stefanie de Orba, 1443 bis 1444 Thomas Ranstete, Nicolaus Celer war es, der 1494 mit seinen Sängerknaben während der Vesper durch die eingestürzte Chorempore verletzt wurde. Der erste „bezeugte Kantor“ war Johannes Scharnagel.

Die Thomaner und ihr Kantor Georg Rhau rückten im Zuge der Reformation in den Mittelpunkt des Musikinteresses, als sie die Leipziger Disputation 1519 zwischen Martin Luther, Andreas Karlstadt und Philipp Melanchthon auf der einen Seite und Johannes Eck auf der anderen Seite musikalisch untermalten.

Melchior Heger bezog 1553 als erster Kantor eine Wohnung in der Alten Thomasschule, unter Valentin Otto wurde um 1564 die musikalische Leitung der Gottesdienste in der Thomaskirche die Regel. Mit der Amtszeit von Sethus Calvisius von 1594 bis 1616 erlangte das Amt überregionale Bedeutung und wurde fortan fast ausschließlich nur noch mit erfahrenen Musikern besetzt.

Alumnat in der Hillerstraße, etwa 1881, im Hintergrund die Neue Thomasschule

Alumnat in der Hillerstraße, etwa 1881, im Hintergrund die Neue Thomasschule

Thomaskantor Johann Hermann Schein, einer der großen Musiker Mitteldeutschlands des 17. Jahrhunderts, bezeichnete sich selbst auch als „General-Director der Music“. Tobias Michael sorgte sich während des Dreißigjährigen Krieges um den unbeschadeten Erhalt der Thomasschule. Als Michael krank wurde, sah sich Johann Rosenmüller als designierter Thomaskantor, musste dann aber wegen der Beschuldigung eines Sittlichkeitsverbrechens die Stadt fluchtartig verlassen.

Sebastian Knüpfer setzte sich 1657 gegen den bekannten Kirchenmusiker Adam Krieger als Thomaskantor durch. Unter den Mitbewerbern von Johann Schelle befand sich u.a. Johann Theile. Schelles Textkonstruktionen waren richtungsweisend für seine Nachfolger.

Elias Gottlob Haußmann, Gemälde von Johann Sebastian Bach

Elias Gottlob Haußmann, Gemälde von Johann Sebastian Bach

Auf Johann Kuhnau folgte 1723 Johann Sebastian Bach, der einstimmig gewählt wurde, aber doch nur zweite Wahl war, da der in Leipzig wohl bekannte Musiker Georg Philipp Telemann in Hamburg blieb und die Bewerber Johann Friedrich Fasch und Christoph Graupner von ihren Landesherren nicht freigegeben wurden.

Johann Sebastian Bach gilt heute als bedeutendster Thomaskantor. Während seiner 27jährigen Amtszeit in Leipzig war er als Thomaskantor für die Musik in den vier Leipziger Stadtkirchen zuständig. Seine Nachfolger im Kantorenamt werden seit 1750 nummeriert.

Bachs drittem Nachfolger, Johann Adam Hiller, verdankt Leipzig seinen Status als „Musikstadt“. 1879 war Johannes Brahms einer der vielversprechenden Kandidaten für die Nachfolge von Ernst Friedrich Richter, doch Brahms sagte ab. Der in Berlin tätige Albert Becker wurde 1892 zum Nachfolger von Wilhelm Rust gewählt, trat dann aber ein Jahr später nach Intervention von Kaiser Wilhelm II. und Freigabe des Leipziger Stadtrats sein Amt nicht an, Gustav Schreck übernahm.

Villa Thomana Leipzig (ehem. Villa Ledig Leipzig)

Villa Thomana Leipzig (ehem. Villa Ledig Leipzig)

Das Wirken des Thomaskantors Karl Straube machte Anfang des 20. Jahrhunderts die Kantaten von Johann Sebastian Bach über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Der Orgelvirtuose Günther Ramin, ein Schüler Straubes, führte den Thomanerchor durch die schwierigen Zeiten des Nationalsozialismus und die Anfänge der DDR, wie auch sein Nachfolger Erhard Mauersberger. Beide bewahrten die Tradition des Chors in schwierigen Zeiten. Seit der Amtszeit von Ramin ist der Thomanerchor nicht mehr für die Hauptgottesdienste in der Nikolaikirche in Leipzig zuständig.

Nach dem Rücktritt von Hans-Joachim Rotzsch wurde 1991 Hermann Max zum Thomaskantor berufen, nahm dann aber das Amt nicht an. Es folgte Georg Christoph Biller. 2016 übernahm der Interimskantor Gotthold Schwarz die Leitung des Chors.

Im Dezember 2020 wählte der Stadtrat von Leipzig den aus der Schweiz stammenden Katholiken Andreas Reize zum Nachfolger von Gotthold Schwarz, der zum September 2021 sein Amt antrat.

Die Thomaskantoren in Leipzig vor der Reformation:

Georg Rhau

Georg Rhau

  • Thidericus, Kantorat um 1295,
  • Johannes Stefanie de Orba, Kantorat 1435 oder 1436 bis 1466,
  • Thomas Ranstete, Kantorat 1443 bis 1444,
  • Martin Klotzsch, Kantorat um 1470,
  • Ludwig Götze aus Werdau, Kantorat 1471 oder 1475 bis 1505 oder 1506,
  • Petrus Sehusen aus Leipzig, gestorben 1464, Kantorat unbekannt,
  • Johannes Fabri aus Forchheim, Kantorat um 1472,
  • Gregor Weßnig, Kantorat 1482 bis 1488,
  • Heinrich Höfler, Kantorat 1488 bis 1490,
  • Nicolaus Celer, Kantorat 1494,
  • Johann Conradi aus Kaltenborn, Kantorat um 1508,
  • Johann Scharnagel aus Wunsiedel, Kantorat 1505 bis 1513,

Die Thomaskantoren in Leipzig nach der Reformation bis 1750:

Sethus Calvisius

Sethus Calvisius

  • Georg Rhau aus Eisfeld, Kantorat 1518 oder 1519 bis 1520, Thomasorganist zu Leipzig 1528,
  • Johannes Galliculus aus Dresden, Kantorat 1520 bis 1525,
  • Valerianus Hüffener aus Crostewitz, Kantorat 1526 bis 1530,
  • Johannes Hermann aus Zittau, Kantorat 1531 bis 1536,
  • Wolfgang Jünger aus Sayda, Kantorat 1537 oder 1536 bis 1539,
  • Johannes Bruckner, Kantorat evtl. 1539/1540, nachweisbar 1541,
  • Ulrich Lange aus Vohenstrauß, Kantorta 1540 oder 1541 bis 1549,
  • Wolfgang Figulus aus Naumburg, Kantorat 1549 bis 1551,
  • Melchior Heger aus Brüx, Kantorat 1553 bis 1564,
  • Valentin Otto aus Markkleeberg, Kantorat 1564 bis 1594,
  • Sethus Calvisius aus Gorsleben, Kantorat 1594 bis 1615,
  • Petrus Wilhelmi aus Großenhain, Thomaskantor ad interim 1615 bis 1616,
  • Johann Hermann Schein aus Grünhain, Kantorat 1616 bis 1630,
  • Johann Kuhnau

    Johann Kuhnau

  • Tobias Michael aus Dresden, Kantorat 1631 bis 1657,
  • Sebastian Knüpfer aus Asch, Kantorat 1657 bis 1676,
  • Johann Georg Krause aus Westheim, Thomaskantor ad interim 1676 bis 1677,
  • Johann Schelle aus Geising, Kantorat 1677 bis 1701, Universitätsmusikdirektor 1679 bis 1701, Thomasorganist 1682 bis 1683,
  • Johann Kuhnau aus Geising, Kantorat 1701 bis 1722, Thomasorganist 1684 bis 1701, Universitätsmusikdirektor 1701 bis 1722,
  • Johann Gabriel Rothe, Thomaskantor ad interim 1722 bis 1723,
  • Johann Sebastian Bach aus Eisenach, Kantorat 1723 bis 1750, Leiter Collegium Musicum 1729 bis 1737, Sächsischer Hofkompositeur ab 1736,

Die Thomaskantoren in Leipzig nach Bach ab 1750:

Johann Adam Hiller

Johann Adam Hiller

  • Johann Adam Francke aus Markneukirchen, Thomaskantor ad interim 1750,
  • Gottlob Harrer aus Görlitz, Kantorat 1750 bis 1755,
  • Carl Friedrich Barth aus Glauchau, Thomaskantor ad interim 1755 bis 1756,
  • Johann Friedrich Doles aus Steinbach-Hallenberg, Kantorat 1756 bis 1789, Universitätsmusikdirektor 1770 bis 1778,
  • Johann Adam Hiller aus Wendisch-Ossig, Kantorat 1789 bis 1801, Universitätsmusikdirektor 1778 bis 1785, Gewandhauskapellmeister 1781 bis 1785,
  • August Eberhard Müller aus Northeim, Kantorat 1801 bis 1810, Substitut des Thomaskantors ab 1800,
  • Johann Gottfried Schicht aus Reichenau, Kantorat 1810 bis 1823, Gewandhauskapellmeister 1785 bis 1810, Universitätsmusikdirektor 1808 bis 1810,
  • August Pohlenz aus Sallgast, Thomaskantor ad interim 1823,
  • Christian Theodor Weinlig

    Christian Theodor Weinlig

  • Christian Theodor Weinlig aus Dresden, Kantorat 1823 bis 1842, Kreuzkantor zu Dresden 1814 bis 1817,
  • August Pohlenz aus Sallgast, Thomaskantor ad interim 1842,
  • Moritz Hauptmann aus Dresden, Kantorat 1842 bis 1868,
  • Ernst Friedrich Richter aus Großschönau, Kantorat 1868 bis 1879, Universitätsmusikdirektor 1843 bis 1847,
  • Bernhard Friedrich Richter / Alfred Richter aus Leipzig, vermutlich Vertretung des Thomaskantors 1879 bis 1880,
  • Wilhelm Rust aus Dessau, Kantorat 1880 bis 1892, Thomasorganist zu Leipzig 1878 bis 1880,
  • Bernhard Friedrich Richter aus Leipzig, Thomaskantor ad interim 1892 bis 1893,
  • Gustav Schreck aus Zeulenroda, Kantorat 1893 bis 1918,
  • Karl Straube aus Berlin, Kantorat 1918 bis 1939, Thomasorganist 1903 bis 1918,
  • Günther Ramin

    Günther Ramin

  • Günther Ramin aus Karlsruhe, Kantorat 1940 bis 1956, Thomasorganist 1919 bis 1939,
  • Ekkehard Tietze aus Erlbach, Thomaskantor ad interim 1956 bis 1957,
  • Kurt Thomas aus Tönning, Kantorat 1957 bis 1960,
  • Hannes Kästner aus Oetzsch, Thomaskantor ad interim 1960 bis 1961,
  • Erhard Mauersberger aus Mauersberg, Kantorat 1961 bis 1972,
  • Hans-Joachim Rotzsch aus Leipzig, Kantorat 1972 bis 1991, Universitätsmusikdirektor 1963 bis 1973,
  • Wolfgang Unger aus Eibenstock, Thomaskantor ad interim 1991 bis 1992,
  • Georg-Christoph Biller aus Nebra, Kantorat 1992 bis 2015,
  • Gotthold Schwarz aus Zwickau, Thomaskantor ad interim 2015 bis 2016,
  • Gotthold Schwarz aus Zwickau, Kantorat 2016 bis 2021,
  • Andreas Reize aus Solothurn, Kantorat seit 2021

Mehr Leipziger Persönlichkeiten


Quelle: https://www.thomanerchor.de/de/chor/gestern-und-heute.html
Bildquelle: unbekannt (Lith. Druck und Verlag v. Adolph Werl) – Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inv.Nr. Mü.XXI/116;
Von Hermann Walter (1838–1909) – Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inv. F/9369/2005, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18935903;
Elias Gottlob Haußmann – http://www.jsbach.net/bass/elements/bach-hausmann.jpg, Johann Sebastian Bach im Alter von 61 Jahren, von Elias Gottlob Haussmann, Kopie oder Zweitversion seines Gemäldes von 1746;
https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Rhau#/media/Datei:Georg_Rhau.jpg;
https://de.wikipedia.org/wiki/Sethus_Calvisius#/media/Datei:SethusCalvisius.jpg;
Autor/-in unbekannt – https://www.stadtmuseum.leipzig.de/media/wmZoom/PG000/PG000169.jpg;
Christian Gottlieb Geyser – http://www.portraitindex.de/documents/obj/33709251;
unbekannt – http://www.europeana.eu/portal/record/01004/A58C0BB8958ED794CF7AA52473FAC6963ADB2E6F.html;
Deutsche Fotothek‎ Originale Bildbeschreibung von der Deutschen FotothekPodium der Bachfeier, Günther Ramin im Vordergrund

Quelle:
www.wikipedia.de

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Autor: Mirko Seidel am 12. Mrz 2023 16:50, Rubrik: Persönlichkeiten, Stadt Leipzig, Kommentare per Feed RSS 2.0, Kommentar schreiben,


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